Voccawind II

Der Basaltsteinbruch und das Heim – Hintergrund
Wir haben kürzlich einen sehr interessanten Artikel bekommen, der die Geschichte der Steinbrüche im allgemeinen und des Basaltsteinbruches Maroldsweisach bei Haßbergen im Unterfränkischen im besonderen sehr gut beleuchtet und einsichtig macht. Wir dokumentieren ihn hier, weil er eine gute Ergänzung zur der Erzählung von Willi Hammer darstellt, der als Jugendlicher einige schreckliche Jahre dort verbringen musste und bedanken uns bei dem Autoren Fritz Linow für die Überlassung.

Steinbruch Heilbronn, 1935

Fritz Linow
Um nochmal einen weiteren Blick auf das Problem zu werfen, warum Heimkinder bis in die 70er im Steinbruch schuften mussten:

Es geht um Baustoffe,- in diesem Fall um Basalt -, die für die Industrialisierung unerlässlich sind, insbesondere Straßenbau, zumindest früher. Ohne Straßen keine Autos und ohne Autos keine Straßen. Dasselbe gilt für den Eisenbahnbau. Steinbrüche hängen unmittelbar mit dem Aufschwung des Kapitalismus zusammen, stehen aber nicht so im Rampenlicht wie große Industriebetriebe, weil man sich diese Steinbrüche eben nicht aussuchen kann, wo sie stehen sollen. Sie sind weit verstreut und meistens am Arsch der Welt.

Die Ausbeutung der Steinbrüche war kostenintensiv, weil Gleisanlagen, Schotterwerke und pipapo erstmal errichtet werden mussten. Gleichzeitig brauchte man Arbeiter, die am Arsch der Welt nicht so ohne weiteres zu finden waren.

Basaltsteinbruch am Motzküppel, 1914

Innerhalb dieser verstreuten Baustoffindustrie gab es ein Hauen und Stechen unter den Unternehmern, gleichwohl gab es aber auch immer eine Zusammenarbeit und auch Kartelle. Ein Gewinner der fortschreitenden Monopolisierung ist unter anderem das verschwiegene Familienunternehmen Werhahn, eine der reichsten Familien in Deutschland und seit einiger Zeit auch 100%iger Besitzer des Steinbruchs Voccawind. Niemand hat den Familienclan Werhahn so richtig auf dem Schirm, wenn es nicht gerade um die Beziehungen zu Adenauer geht. Ein Sohn von Werhahn hatte sich mit einer Adenauertochter verheiratet und der langjährige Familienminister unter Adenauer war vorher im Basaltgeschäft von Werhahn tätig. Nicht umsonst entstand 1932 die erste Autobahn zwischen Bonn und Köln, als Adenauer dort Bürgermeister war.

Man kann in der Baustoffindustrie gute und verlässliche Geschäfte machen.

Nach dem zweiten Weltkrieg war alles zerstört und Baustoff war nötiger denn je. Für die Produktion von Baustoff gab es aber an manchen Orten keine Arbeiter mehr, weil diese sich auch noch um die Landwirtschaft kümmern mussten, soweit sie nicht gefallen waren und es keine Zwangsarbeiter mehr gab. Die Baustoffindustrie wurde in Bayern als Problemindustrie definiert, und um die Arbeit im Steinbruch attraktiver zu machen, erlaubten die Amerikaner noch vor der Währungsreform eine Lohnerhöhung auf ca. 100 Pfennig die Stunde. Dabei war der Lohn auch nach Ortsklasse gestaffelt. Eigentlich waren zu diesem Zeitpunkt höhere Löhne verboten. Den ersten Manteltarifvertrag für Bayern gab es 1952, und die damaligen Lohntabellen wären ein Maßstab, was den Jugendlichen in Voccawind und wohl auch anderswo eigentlich zugestanden hätte.

Basaltsteinbruch Marolsweisach

Die Innere Mission Bamberg, also Diakonie, kam also ganz schnell auf die Idee, in unmittelbarer Nähe des Steinbruchs und am Ende der Welt ein „Erziehungsheim“ zu errichten, weil mit diesem Geschäftsmodell gutes Geld verdient werden konnte. Jugendliche durften Sklavenarbeit machen, mussten aber nicht nach den gültigen Löhnen bezahlt werden. Der Gewinn floss in der Hände der Diakonie einerseits und der Ausbeuterbetriebe andererseits. Ein Geschäftsmodell, dass in vielen Einrichtungen auch heute noch funktioniert.

Ein direkter Profiteur des evangelischen Erziehungswesen waren die Bayerische Hartstein-Industrie Aktiengesellschaft, bzw. die Erste Bayerische Basaltstein-AG Steinmühle, deren Geschäftsberichte nähere Aufschlüsse geben könnten. Diese sind unter anderem im Bayrischen Wirtschaftsarchiv der IHK Bayern hinterlegt, vermutlich auch anderswo, zum Beispiel Uni Regensburg.

Aktie der „Ersten Bayerische Basaltstein-AG Steinmühle“

Letztendlich ist es eine Frage des vermeintlichen Eigentums: Der Kackadlige Freiherr Johann von Schrottenberg war aus unerfindlichen Gründen Besitzer dieses Steinbruchs und hat ihn an Arschlöcher verpachten dürfen. Die kackadligen Nachfahren von dieser ruhmlosen Dynastie betreiben nun ein Schlosshotel mit Golfanlage am „Stammsitz“ in Bamberg.

Was macht eigentlich Robespierre so?